Ich zog mich also wieder in die Heilerei zurück um dort zu
lernen und zu schlafen. Am nächsten Morgen ich war gerade richtig wach, ging
ich vor die Tür um das Haus zu lüften, als ich von unten her auch schon Eric
anstapfen sah, mein Herz machte einen Hüpfer, aber ich war vorsichtig. Wie man
es mir beigebracht hatte kniete ich mich kurz in den Schnee und brachte meinen
Gruß „Tal Scharl“ über die Lippen, da sah ich auch schon ein kleines Lächeln in
diesem von Haaren bedeckten Gesicht mit den wunderbaren blauen Augen. Er trat
auf mich zu und seine Finger berührten meinen Hals, wie elektrischer Strom
durchfuhr es mich und es richteten sich meine Nackenhärchen auf. Ich berichtete
ihm – na gut ich versuchte es – dass ich fast die ganze Nacht wieder gelernt
hatte, als kurz darauf dieser Dick auftauchte und uns grüßte. Die beiden Männer
unterhielten sich kurz unter anderem auch über mich und waren anscheinend auch
mit den Fortschritten zufrieden die ich so machte. Vor allem wunderten sie
sich, dass ich innerhalb kurzer zeit es geschafft hatte, einigermaßen ihre
Sprache zu verstehen. Verstehen war nun etwas überzogen, aber ich erklärte ihnen,
dass die Sprache in der die Bücher der Heilere abgefasst waren, auch die
Sprache ist, die bei uns die alten Lateiner sprachen. Hier kam mir mein Medizinstudium
also zu pass . Nachdem das Gespräch beendet war, ging Eric nach unten zu seinem
Haus und schickte mich Holz holen. Dick konnte es nicht lassen und ließ noch
einige zotige Sprüche ab die ich aufgrund meines geringen Wortschatzes nicht
erfassen konnte und bevor ich mich weiter blamierte, ging ich lieber das erledigen,
was mir aufgetragen wurde.
Mit dem Arm voller Holzscheite ging ich hinunter zum Haus
und stapelte dieses ordentlich neben dem Kamin. Eric rumorte draußen an den
Kesseln und kam etwas später herein. Er setzte sich auf das Sofa und ich
verkündete ihm stolz, dass das Feuer im Kamin tatsächlich brennt. Eric sah ein wenig müde aus und reckte sich,
was seine imposante Erscheinung nur noch verstärkte, ich fragte ihn nach einem
Wunsch und er hätte wohl gern einige fleißige Bonds. Einen Moment war ich
unsicher, ob ich ihm nicht fleißig genug
war. Hilft ja nix, fragen macht klug, also fragte ich ihn ob er mit mir nicht
zufrieden ist. Sein Gesichtsausdruck zeigte mir, dass er doch relativ zufrieden
war und auch seine Worte beruhigten mich. Er schien wohl ein längeres Gespräch
zu planen und schickte mich in den Vorraum einen Met holen, was ich natürlich
gerne tat. Wieder zurück, kniete ich mich vor das Sofa, aber das wollte er
nicht, er deutete mir an, mich auf seinen Schoß zu setzen, mir nur recht, ich
fühlte mich in seiner Nähe schließlich immer ein Stück sicherer. Geduldig und
mit verständlichen Worten versuchte er mir einige grundlegende Kenntnisse
seiner Kultur und den dort geltenden, wenn auch in meinen Augen barbarischen,
Regeln beizubringen. Dabei kam auch das Auf-dem-Tisch-Abenteuer zur Sprache und
er erklärte mir, dass es durchaus üblich sei, dass nackte Mädchen einfach auf
dem Tisch knien und dort die Männer bedienen. Das ich dieses Verhalten für
unmoralisch halte, scheint dabei nicht wirklich eine Rolle zu spielen. Diese
Flut an Informationen und wohl auch das Übermaß an Lektüre, das ich jeden Tag
paukte forderten jedoch langsam seinen Tribut und mir fielen recht schnell die
Augen zu. Ich ahnte nicht, dass ich Eric
das letzte mal für lange Zeit gesehen haben sollte.
Am nächsten Morgen erwachte ich in dem kleinen Bettchen das
neben dem Kamin am Boden stand, ich blickte mich um und fröstelte erst einmal,
das Feuer war ausgegangen. Ich schürte erneut an, damit das Haus nicht auskühlt
und ging wieder nach oben zur Heilerei. Noch machte ich mir keine Gedanken, sondern
ging davon aus dass Eric wohl schon vor mir aufgestanden war und irgendwo in
den Wäldern war. Holzhacken, Tiere jagen, was weiß ich. Die gewonnene Freizeit
kam mir gerade recht. Mittlerweile war ich bei den Heilkräutern und ihren Wirkweisen
angekommen und fühlte mich schon sehr an die Naturheilkunde und chinesische
Medizin erinnert. Ich entfachte auch hier in der Heilerstube ein Feuerchen und
setzte mich an den Tisch auf dem noch die Papiere vom Vortag lagen. Wenige
Stunden später knurrte mich mein Magen unwirsch an, so beschloss ich nach oben
in die Hall zu gehen und mir etwas zu essen zu machen. Ich nahm mir Ei, Käse,
Brot und Butter und bereitete mir einen Kaffee und trug es zu meinem Schreibtisch.
So verstrichen die Stunden und ich sah erst wieder auf, als es dämmerte und das
Licht der Kerzen nicht mehr ausreichte die Schriftstücke zu beleuchten.
Ich stand auf und machte eine Runde durch das Dorf, es war
verdammt ruhig geworden. Einzig aus dem Haus gegenüber flackerte der Schein
eines Feuers durchs Fenster und tauchte den Schnee in ein goldenes Licht, aber
ausmachen konnte ich niemanden. Überhaupt, das ganze Dorf schien ziemlich
verlassen. Vielleicht waren ja alle aufgebrochen um zu jagen.
Die Situation änderte sich jedoch auch die nächsten Tage
nicht. Als auch am übernächsten Tag niemand der Bewohner zu sehen war, machte
ich mir doch Gedanken ob nicht etwas passiert war. Da ich aber vorhatte die
Bücher bis zum Ende zu studieren, zog ich einfach in die Heilerei und mein
Tagesablauf bestand daraus, dass ich zum Haus von Eric ging, dort Feuer machte,
danach in die Hall mir ein Frühstück machen, auch hier konnte ich nicht
erkennen, dass außer mir noch jemand im Dorf war. Ein Frösteln jagte mir über
den Rücken, die Sache wurde langsam unheimlich.
Ich räumte das benutzte Geschirr wieder weg und fegte die Hall, schließlich
sollte das hier nicht verkommen, vielleicht kann man es ja als Museumsdorf
vermarkten, wenn tatsächlich keiner mehr kam.
Nach 7 Tagen wurde ich wach, weil mich das Geschrei der Kühe
weckte. Mon Dieu, die Tiere, sie hatte ich vollkommen vergessen. Schnell lief
ich hinunter zum Stall und sah das Malheur. Die Tröge waren leer, kein Wasser,
kein Futter. Jetzt war guter Rat teuer. Ich lief zum Brunnen und füllte erst einmal
den Wassertrog auf und sah mich dann nach etwas um, das den Rindviechern als
Futter dienen konnte. In der Ecke des Stalls sah ich einen Sack, das musste die
Lösung sein. Ich schleppte den schweren Sack zum Trog und schüttete ihn in die
Futterrinne. Das war geschafft. Für die Hühner nahm ich einige Hand voll Korn
aus dem Trog und gab sie in die Futterschale wie auch frisches Wasser. Jetzt wurde
mir schmerzlich klar, in diesem Dorf war niemand. Alle schienen ausgeflogen.
Auch Eric. Er war gegangen einfach so, ohne mir ein Wort zu sagen. Warum hat er
mich nicht mitgenommen. War ich also doch nur ein Spielzeug für seine Triebe?
Benutzt und weggeworfen? Und ich Dummerchen hatte ihm vertraut. Ich hätte es
besser wissen müssen. Männer waren hier wie dort alle gleich.
Die Gedanken in meinem Kopf begannen zu Kreisen. Schiffe
legten schon lange keine mehr an, wie auch, der Hafen war zugefroren. Eine
Reise über Land, wäre eine Möglichkeit, aber wohin? Ich hatte bisher noch keine
Landkarten, Wanderführer oder ähnliches gefunden, die mir hilfreich hätten sein
können. Außerdem was würde aus den Tieren werden? Ich teilte meinen Tag also
ein und bezog die Tiere in meinen Arbeitsablauf mit ein. Was ich nicht
eingerechnet hatte, dass das Heimweh mich nach und nach aufzufressen begann,
jetzt wo ich allein war. Ein paar Tage wollte ich noch ausharren. Solange die
Vorräte reichten, lief ich wenigstens nicht Gefahr zu verhungern.
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