Vakur

Vakur
neue Heimat?

Sonntag, 5. Januar 2014

Ausgestorben


Ich zog mich also wieder in die Heilerei zurück um dort zu lernen und zu schlafen. Am nächsten Morgen ich war gerade richtig wach, ging ich vor die Tür um das Haus zu lüften, als ich von unten her auch schon Eric anstapfen sah, mein Herz machte einen Hüpfer, aber ich war vorsichtig. Wie man es mir beigebracht hatte kniete ich mich kurz in den Schnee und brachte meinen Gruß „Tal Scharl“ über die Lippen, da sah ich auch schon ein kleines Lächeln in diesem von Haaren bedeckten Gesicht mit den wunderbaren blauen Augen. Er trat auf mich zu und seine Finger berührten meinen Hals, wie elektrischer Strom durchfuhr es mich und es richteten sich meine Nackenhärchen auf. Ich berichtete ihm – na gut ich versuchte es – dass ich fast die ganze Nacht wieder gelernt hatte, als kurz darauf dieser Dick auftauchte und uns grüßte. Die beiden Männer unterhielten sich kurz unter anderem auch über mich und waren anscheinend auch mit den Fortschritten zufrieden die ich so machte. Vor allem wunderten sie sich, dass ich innerhalb kurzer zeit es geschafft hatte, einigermaßen ihre Sprache zu verstehen. Verstehen war nun etwas überzogen, aber ich erklärte ihnen, dass die Sprache in der die Bücher der Heilere abgefasst waren, auch die Sprache ist, die bei uns die alten Lateiner sprachen. Hier kam mir mein Medizinstudium also zu pass . Nachdem das Gespräch beendet war, ging Eric nach unten zu seinem Haus und schickte mich Holz holen. Dick konnte es nicht lassen und ließ noch einige zotige Sprüche ab die ich aufgrund meines geringen Wortschatzes nicht erfassen konnte und bevor ich mich weiter blamierte, ging ich lieber das erledigen, was mir aufgetragen wurde.

Mit dem Arm voller Holzscheite ging ich hinunter zum Haus und stapelte dieses ordentlich neben dem Kamin. Eric rumorte draußen an den Kesseln und kam etwas später herein. Er setzte sich auf das Sofa und ich verkündete ihm stolz, dass das Feuer im Kamin tatsächlich brennt.  Eric sah ein wenig müde aus und reckte sich, was seine imposante Erscheinung nur noch verstärkte, ich fragte ihn nach einem Wunsch und er hätte wohl gern einige fleißige Bonds. Einen Moment war ich unsicher, ob ich  ihm nicht fleißig genug war. Hilft ja nix, fragen macht klug, also fragte ich ihn ob er mit mir nicht zufrieden ist. Sein Gesichtsausdruck zeigte mir, dass er doch relativ zufrieden war und auch seine Worte beruhigten mich. Er schien wohl ein längeres Gespräch zu planen und schickte mich in den Vorraum einen Met holen, was ich natürlich gerne tat. Wieder zurück, kniete ich mich vor das Sofa, aber das wollte er nicht, er deutete mir an, mich auf seinen Schoß zu setzen, mir nur recht, ich fühlte mich in seiner Nähe schließlich immer ein Stück sicherer. Geduldig und mit verständlichen Worten versuchte er mir einige grundlegende Kenntnisse seiner Kultur und den dort geltenden, wenn auch in meinen Augen barbarischen, Regeln beizubringen. Dabei kam auch das Auf-dem-Tisch-Abenteuer zur Sprache und er erklärte mir, dass es durchaus üblich sei, dass nackte Mädchen einfach auf dem Tisch knien und dort die Männer bedienen. Das ich dieses Verhalten für unmoralisch halte, scheint dabei nicht wirklich eine Rolle zu spielen. Diese Flut an Informationen und wohl auch das Übermaß an Lektüre, das ich jeden Tag paukte forderten jedoch langsam seinen Tribut und mir fielen recht schnell die Augen zu.  Ich ahnte nicht, dass ich Eric das letzte mal für lange Zeit gesehen haben sollte.

Am nächsten Morgen erwachte ich in dem kleinen Bettchen das neben dem Kamin am Boden stand, ich blickte mich um und fröstelte erst einmal, das Feuer war ausgegangen. Ich schürte erneut an, damit das Haus nicht auskühlt und ging wieder nach oben zur Heilerei.  Noch machte ich mir keine Gedanken, sondern ging davon aus dass Eric wohl schon vor mir aufgestanden war und irgendwo in den Wäldern war. Holzhacken, Tiere jagen, was weiß ich. Die gewonnene Freizeit kam mir gerade recht. Mittlerweile war ich bei den Heilkräutern und ihren Wirkweisen angekommen und fühlte mich schon sehr an die Naturheilkunde und chinesische Medizin erinnert. Ich entfachte auch hier in der Heilerstube ein Feuerchen und setzte mich an den Tisch auf dem noch die Papiere vom Vortag lagen. Wenige Stunden später knurrte mich mein Magen unwirsch an, so beschloss ich nach oben in die Hall zu gehen und mir etwas zu essen zu machen. Ich nahm mir Ei, Käse, Brot und Butter und bereitete mir einen Kaffee und trug es zu meinem Schreibtisch. So verstrichen die Stunden und ich sah erst wieder auf, als es dämmerte und das Licht der Kerzen nicht mehr ausreichte die Schriftstücke zu beleuchten.

Ich stand auf und machte eine Runde durch das Dorf, es war verdammt ruhig geworden. Einzig aus dem Haus gegenüber flackerte der Schein eines Feuers durchs Fenster und tauchte den Schnee in ein goldenes Licht, aber ausmachen konnte ich niemanden. Überhaupt, das ganze Dorf schien ziemlich verlassen. Vielleicht waren ja alle aufgebrochen um  zu jagen.

Die Situation änderte sich jedoch auch die nächsten Tage nicht. Als auch am übernächsten Tag niemand der Bewohner zu sehen war, machte ich mir doch Gedanken ob nicht etwas passiert war. Da ich aber vorhatte die Bücher bis zum Ende zu studieren, zog ich einfach in die Heilerei und mein Tagesablauf bestand daraus, dass ich zum Haus von Eric ging, dort Feuer machte, danach in die Hall mir ein Frühstück machen, auch hier konnte ich nicht erkennen, dass außer mir noch jemand im Dorf war. Ein Frösteln jagte mir über den Rücken, die Sache wurde langsam unheimlich.  Ich räumte das benutzte Geschirr wieder weg und fegte die Hall, schließlich sollte das hier nicht verkommen, vielleicht kann man es ja als Museumsdorf vermarkten, wenn tatsächlich keiner mehr kam.


Nach 7 Tagen wurde ich wach, weil mich das Geschrei der Kühe weckte. Mon Dieu, die Tiere, sie hatte ich vollkommen vergessen. Schnell lief ich hinunter zum Stall und sah das Malheur. Die Tröge waren leer, kein Wasser, kein Futter. Jetzt war guter Rat teuer. Ich lief zum Brunnen und füllte erst einmal den Wassertrog auf und sah mich dann nach etwas um, das den Rindviechern als Futter dienen konnte. In der Ecke des Stalls sah ich einen Sack, das musste die Lösung sein. Ich schleppte den schweren Sack zum Trog und schüttete ihn in die Futterrinne. Das war geschafft. Für die Hühner nahm ich einige Hand voll Korn aus dem Trog und gab sie in die Futterschale wie auch frisches Wasser. Jetzt wurde mir schmerzlich klar, in diesem Dorf war niemand. Alle schienen ausgeflogen. Auch Eric. Er war gegangen einfach so, ohne mir ein Wort zu sagen. Warum hat er mich nicht mitgenommen. War ich also doch nur ein Spielzeug für seine Triebe? Benutzt und weggeworfen? Und ich Dummerchen hatte ihm vertraut. Ich hätte es besser wissen müssen. Männer waren hier wie dort alle gleich.

Die Gedanken in meinem Kopf begannen zu Kreisen. Schiffe legten schon lange keine mehr an, wie auch, der Hafen war zugefroren. Eine Reise über Land, wäre eine Möglichkeit, aber wohin? Ich hatte bisher noch keine Landkarten, Wanderführer oder ähnliches gefunden, die mir hilfreich hätten sein können. Außerdem was würde aus den Tieren werden? Ich teilte meinen Tag also ein und bezog die Tiere in meinen Arbeitsablauf mit ein. Was ich nicht eingerechnet hatte, dass das Heimweh mich nach und nach aufzufressen begann, jetzt wo ich allein war. Ein paar Tage wollte ich noch ausharren. Solange die Vorräte reichten, lief ich wenigstens nicht Gefahr zu verhungern.

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